(Gepubliceerd in Der Whisky Botschafter, Nr. 2 Fruhling, April-Mai-Juni 2014. http://www.whiskybotschafter.com)
Text und Bilder: Fred Blans. Übersetzung: © JB productions

Es gibt keine Distillery mit einem vergleichbaren Charisma wie dieses Kunstwerk. “Eigentlich entstand die Idee innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde”, sagt Werner Tscholl, Architekt dieses ‘State of the Art’ Whiskytempels. “Und das, obwohl wir noch nicht eine einzige Flasche Whisky abgefüllt haben”, fügt Jonas Ebensperger lachend hinzu.
Glurns oder Glurenza.

Von unserer letzten Haltestelle, Vicenza, fahren wir in Richtung Nord-Italien, nach Süd-Tirol. Alles hier atmet Gemütlichkeit, seien es die karierten Tischdecken auf den hölzernen Tischen oder die Zweisprachigkeit, die dafür sorgt, dass noch immer Deutsch gesprochen wird. Die österreichische Grenze hat sich nach dem ersten Weltkrieg ein wenig zurückgezogen, sodass auch Vinschgau (westliches Süd-Tirol) in 1946 italienisch wurde. Mein Ziel ist Glurns oder Glorenza, wo ich mit dem Architekten Werner Tscholl verabredet bin.
Brennen.

Um halb zwei trete ich in die PUNI Distillery ein. Die Stunde davor habe ich genutzt, um mir den Whiskykubus von außen anzuschauen. Die Einfachheit mit der der Architekt gearbeitet hat, spiegelt sich im Muster der terracotta-farbigen Betonsteine wieder, die einer auf den anderen aufgestapelt sind. Die typischen Ventilationslöcher italienischer Scheunen dienten Tscholl als Motiv für die ganze Konstruktion. Die Verwendung von gebackenen Steinen im Kellerabteil war eine bewusste Wahl. Werner Tscholl: “ In dem deutschen Wort ‘brennen’ zeigte sich für mich die Analogie zwischen Whisky und Steinen; Whisky wird erhitzt, und Steine werden gebacken. Das Schöne an der Sache war, dass ich nicht nur auf meine Kenntnisse auf dem Gebiet von Whisky beschränkt war. Ich wollte eine Art von Box bauen, in der wir innerhalb der Konstruktionszeit beliebig allerhand Sachen ändern konnten”. Vorsichtig frag ich, warum er gerade hier, auf einem Industriegelände, PUNI bauen wollte. “Das war nicht meine Entscheidung, sondern die der Familie Ebensperger, mit der ich gut befreundet bin. Sie wollte eine Whiskydistillery in ihrem Hinterhof. Punkt.”
Stahl, Stills und Steine.

Der Eingang und Flur von PUNI ähnelt einem modernen Museum: streng, offen, und von der italienischen Sonne, die sich durch die Ventilationslöchern durchsetzt, überflutet….ein atemberaubendes Schauspiel. Direkt vor mir tauchen zwei Potstills aus einer Öffnung im Boden auf, abgedeckt von einer gläsernen Konstruktion. Auf zwei gläsernen Tischen stehen die ersten (Neben-)Produkte von PUNI: die Liköre. “Mein Vater mag Süßes und wollte deshalb eine Art von Irish Cream herstellen”. Der Geschmack gefällt mir weniger, aber die Präsentation ist einzigartig. Immer wieder schau ich mich um. Die Außenseite der Distillery ist ungefähr einen Meter von der gläsernen Innenseite entfernt. Es scheint, als wenn die Innenseite in einem Gerippe hinge: Stahl, Stills und Steine; die Alliteration drängt sich auf; dieses Gebäude ist pure Poesie.
Interesse.

Jonas Ebensperger, jüngster Sohn, stellt sich vor. Ich bin erstaunt: sein Englisch ist fast perfekt. “Seit Jahren verbringe ich meinen Urlaub in Schottland, und wegen des Baus unserer Distillery bin ich da in den letzten fünf Jahren sehr oft gewesen.” Jonas kommt gerade aus Paris, wo er im Rahmen von Whisky Live Paris eine Präsentation gegeben hat. “Die Leute waren begeistert, weil wir als Erste in Italien ernsthaft unseren Traum realisieren: die Herstellung des ersten italienischen Whiskys!” Jonas ist Befürworter von PUNI. “Ingvar Ronde vom Whisky Malt Yearbook war gerade für ein Interview hier und vor einigen Monaten hat auch das englische Whisky Magazine angerufen. Es fehlt also nicht an Interesse.” Ich überreiche Jonas einige Exemplare von Whisky Passions und erzähle ihm, dass ich der nächste Journalist bin. “Je mehr Interesse desto besser. Komm, gehen wir nach unten, dann zeig ich dir noch was…” Ein Bisschen verblüfft bin ich schon. Noch mehr?
Bescheidenheit.
Die Einteilung des Kellers ist sehr übersichtlich. Zwei Besucherräume, das Washback and Gristmill Zimmer, ein Präsentationsraum und der große, offene Mittelraum, wo wash still, spirit still und spirit safe prominent anwesend sind. Alles Weitere, wie z.B. Röhren, ist von Tscholl durch strenge, schwarze Metallplatten verschleiert worden, sodass der Blick zum Kern zurückgeleitet wird. Wir reden weiter und kommen in das Besucherzentrum: eine große, gemauerte, kirchenähnliche Konstruktion. “Dies hätte genauso gut eine Kapelle sein können”, sagt Werner Tscholl, “mit dem Ladentisch als Altar.” Durch eine konzentrierte Bündelung von Tageslicht kann das Kunstlicht abgeschaltet bleiben. Obwohl der Umriss des Ganzen nur 13 x 13 Meter beträgt, sorgt die Transparenz des PUNI-Whiskykubusses für Extras. Das schwarze Metall, der helle Raum und das konsequent durchgezogene Terracotta-Farbenmuster verleihen dem Kellerraum Ruhe.
Harry Cockburn.

Eine schöne Powerpointpräsentation unterstützt die Erzählungen des begeisterten Jonas. Er zeigt uns die Geschichte, den Bau und die Philosophie der ersten italienischen Distillery vom Anfang bis zum Ende. Unser junger Moderator beginnt beim frühesten Anfang: Vater Ebenspergers Idee, eine Whiskydistillery zu gründen. Das war vor sechs Jahren. Bald schon kam Werner Tscholl, ein Freund des Hauses, dazu und in no time begann der Bau. Es wurde Kontakt zu A. Forsyth & Sons aus Schottland (Rothes) geknüpft, um zwei Stills zu bauen. Auch mit Harry Cockburn, rundreisender Nestor der Whisky-Industrie und Berater der Familie Ebensperger wurde gesprochen. In der naheliegenden Stadt Bolzano (Bozen) wurden dann beide Pinewood Washbacks gemacht und in 2010 war der komplette Bau fertig. Zu einem der letzten Bilder erzählt Jonas noch etwas Besonderes. Es ist ein Bunker.
Bunker

Nach dem ersten Weltkrieg entschlossen sich die Italiener, eine Landesbefestigung an den Grenzen zu errichten um dem Heer, im Falle eines feindlichen Angriffs, Zeit für die Mobilisierung zu verschaffen: Die Vallo Alpino Littorio (der Alpenwall). Überreste von dieser Linie entlang der schweiz-österreichischen Grenze gibt es noch immer, und sie sind teilweise sehr gut erhalten. Die Familie Ebensperger sah darin vor einigen Jahren eine Chance: ein idealer Lagerraum für die Whiskyfässer. Einige Bunker wurden gemietet, geputzt, mit Ständern ausgestattet und mit den ersten Fässern versehen. Der konstant hohe Feuchtigkeitsgrad und die niedrige Temperatur im unterirdischen Lagerraum führen zu einem sicheren Lagerplatz.
PUNI Tattoo.

“Das Wort PUNI ist kurz, bündig und auch für Chinesen und Japaner einfach auszusprechen”, sagt Jonas. Er fügt hinzu, dass eine Diageo-Studie erwiesen hat, dass schwierige Namen im fernen Osten zu immer schlechteren Verkaufsresultaten geführt haben. Aus ‘Laphroaig’ wird so etwas ähnliches wie ‘Lap-Frog’ und über Bruichladdich will schon gar niemand reden. “Das soll uns nicht passieren und deshalb wählten wir den Namen PUNI, wie der Fluss, der durch unser Dorf fließt”. Zu meinem Erstaunen krempelt sich Jonas seine Ärmel hoch. “Vor Jahren, als ich noch Student in Berlin war, habe ich das Logo schon auf meinen Unterarm tätowieren lassen”, sagt er. “Als meine Mutter sich daran gewöhnt hatte, fand sie die Abbildung okay. Die drei Streifen stehen für unsere Basisprodukte: rye, wheat and barley oder für die drei Söhne meines Vaters”, lacht Jonas.
PUNI Pure und PUNI Alba

Jonas stellt die Gläser auf den Designaltar und schenkt das PUNI Pure aus. “Dies ist ein new make spirit, der sechs bis neun Monate in Edelstahl-Tanks gelagert worden ist. Wir verkaufen ihn, um einen perfekten Mix gestalten zu können.” Stimmt, denke ich, als sich mein rechter Mundwinkel spontan hochzieht. Das PUNI Alba geht schon besser: zwölf Monate in sizilianischen Marsala- und lokalen Pinot Noir Fässern gelagert. Eine Kombination aus trocken und süß, die meiner Meinung nach ‘promissing’ ist, aber doch noch eine Weile lagern darf. Jonas nickt zustimmend. Das dritte Glas ist ein vier Monate gelagerter ‘Whisky in the making’ “Aus einem ehemaligen fünfzig Liter Ardbeg Cask und wirklich fantastisch…jetzt schon, oder?“ Jonas schaut mich erwartungsvoll an und ich spüre tatsächlich Potenz.
In 2015 soll der erste PUNI Whisky abgefüllt werden. Ich kann es kaum erwarten, das richtige Zeug genießen zu können. Denn eines ist sicher: PUNI hat’s durchaus verdient, und das nicht zuletzt wegen Werner Tscholl.
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